Ich identifiziere mich mit meiner psychischen Krankheit!

 

In den letzten Jahren hat sich die Wahrnehmung von psychischen Erkrankungen glücklicherweise stark gewandelt. Es ist heute deutlich enttabuisiert, über mentale Probleme zu sprechen und sich Hilfe zu suchen. Doch in diesem Zuge ist auch ein neuer Trend zu beobachten: Manche Menschen identifizieren sich stark mit ihrer Diagnose und sehen ihre psychische Krankheit als zentralen Teil ihrer Identität.

Auf den ersten Blick mag dies harmlos erscheinen. Schließlich kann es ein Gefühl der Gemeinschaft und des Verständnisses schaffen, wenn man sich mit anderen Betroffenen austauscht und gemeinsame Erfahrungen teilt. Doch diese Identifikation mit der eigenen Krankheit kann auch problematische Folgen haben.

Gefahren der Identifikation mit der Krankheit:

  • Verengung des Selbstbildes: Reduziert man sich selbst auf seine Diagnose, geht der Blick für andere Facetten der Persönlichkeit leicht verloren. Man sieht sich nicht mehr als komplexes Individuum mit vielfältigen Stärken und Schwächen, sondern als "Depressionskranken" oder "Angstpatienten".
  • Verfestigung der Krankheit: Die ständige Beschäftigung mit der eigenen Krankheit kann dazu führen, dass man sich noch mehr auf die negativen Symptome fokussiert und diese als unvermeidbaren Teil des eigenen Lebens akzeptiert. So wird es schwieriger, aus alten Mustern auszubrechen und an Genesung zu arbeiten.
  • Verantwortung abgeben: Identifiziert man sich mit der Krankheit, kann es leicht passieren, die Verantwortung für das eigene Wohlergehen komplett bei ihr zu suchen. Man sieht sich als Opfer der Umstände und glaubt, keinen Einfluss auf seinen Zustand zu haben. Dies kann zu einer passiven Haltung führen und die Motivation zur aktiven Bewältigung der Probleme verringern.

Stattdessen: Für ein gesundes Selbstbild

Anstatt sich mit seiner Krankheit zu identifizieren, ist es wichtig, die mentale Gesundheit als einen Teil des gesamten Lebens zu betrachten. Psychische Erkrankungen können einen großen Einfluss auf unser Denken, Fühlen und Handeln haben, aber sie definieren uns nicht als Ganzes.

  • Den Fokus auf Stärken lenken: Neben den Herausforderungen, die eine psychische Krankheit mit sich bringt, gibt es auch viele Stärken und Ressourcen, die in jedem Menschen stecken. Indem man sich auf diese positiven Aspekte konzentriert, kann man ein gesünderes und stabileres Selbstbild entwickeln.
  • Verantwortung übernehmen: Auch wenn eine psychische Erkrankung das Leben stark beeinträchtigen kann, hat man immer die Möglichkeit, etwas für die eigene Genesung zu tun. Dazu gehört es, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, aber auch die eigenen Lebensumstände und Verhaltensweisen aktiv zu hinterfragen und zu verändern.
  • Persönlichkeitsentwicklung: Mentale Gesundheit ist kein statischer Zustand, sondern ein fortlaufender Prozess. Es ist wichtig, offen für neue Erfahrungen und Herausforderungen zu sein und kontinuierlich an der eigenen Persönlichkeitsentwicklung zu arbeiten.

Fazit:

Es ist wichtig, sich mit seiner psychischen Krankheit auseinanderzusetzen und professionelle Hilfe zu suchen. Doch man sollte sich nicht mit ihr identifizieren und sein gesamtes Selbstbild darauf aufbauen. Stattdessen sollte man den Fokus auf die eigenen Stärken und Ressourcen legen, Verantwortung für das eigene Wohlergehen übernehmen und kontinuierlich an der eigenen Persönlichkeitsentwicklung arbeiten.

Foto von Nik auf Unsplash

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