Was sind eigentlich Schatteninstanzen?

 

Es ist eine Binsenweisheit, dass Kinder sehr, sehr verletzlich sind. Und doch sind sie Traumata der verschiedensten Art nicht vollkommen hilflos ausgeliefert. Kinder kennen bereits in frühestem Alter Mechanismen, die ihnen zu überleben helfen. Psychisch und physisch. 

 

Eine dieser Mechanismen ist uns aus der Individualpsychologie gut bekannt. Es sind die sogenannten Inneren Instanzen, Sonne wie Schatten. Laut Paul Watzlawick können wir davon bis zu 100 haben, in einer Persönlichkeit, und sie bleiben bis zum Tod. Gebildet aber werden sie in der Kindheit und sie schützen das Kind vor äußeren Angriffen oder Aktionen, die als solche wahrgenommen werden. 

 

Wenn wir erwachsen werden, agieren diese Instanzen aus dem Unbewussten heraus. Jedenfalls so lange, wie wir in der Persönlichkeitsentwicklung oder therapeutischen Arbeit sie uns nicht bewusst machen. Und genau da entsteht das Problem: Agieren diese Schatteninstanzen aus dem Unbewussten heraus übernehmen sie quasi das Kommando auf unserem Lebensschiff, die Kontrolle über unsere agierende Persönlichkeit. Sie lassen da - anders als die Sonneninstanzen - auch nicht locker, sondern halten sich quasi krampfhaft am Steuerrad unserer Persönlichkeit fest. 

 

Deswegen ist es so wichtig, sie zu kennen und zu identifizieren. Im Folgenden stelle ich die häufigsten Schatteninstanzen vor, die mir in der Arbeit mit meinen Klienten im Laufe der Zeit untergekommen sind. Die Liste ist alles andere als vollständig und Du bist herzlich eingeladen, Deine eigenen zu finden und zu benennen! 

  • Der Innere Kritiker
    DER Klassiker schlechthin! Als Kind werden wir von Eltern, Lehrern und anderen "Großen" immer wieder ermahnt, belehrt und eben auch kritisiert. Wir sind zu laut, zu lebendig, zu leise, zu lebhaft ... was auch immer! Und Kritik bedeutet für ein Kind: "Ich bin falsch!" Eine schwer zu ertragende Botschaft, die es zu vermeiden gilt. Deswegen installiert das Kind einen eigenen Inneren Kritiker, der quasi die Kritik von außen schon einmal vorwegnimmt. 
  • Der Rächer
    Haben wir fast auch alle, kommt aber insbesondere bei Menschen mit bipolaren affektiven Störungen sehr häufig und ausgeprägt vor. Emotionale Kränkungen werden gerächt: primär durch Liebes- oder Aufmerksamkeitsentzug, aber auch durch heimliche Sabotagen oder sexuelle Beziehungen außerhalb der (monogamen) eigenen Beziehung oder Partnerschaft. 
  • Der Perfektionist
    Aus Angst Fehler zu machen, versuchen wir, alles übergenau und pedantisch zu erledigen. 
  • Der Verstecker 
    Eigentlich wollen wir unter Menschen sein und uns an ihrer Gesellschaft erfreuen. Gleichzeitig haben wir eine panische Angst, ihrem Urteil nicht zu genügen. Also verstecken wir uns lieber oder isolieren uns selbst. 
  • Der Antreiber
    Eie Art mit Aufgaben umzugehen, die wir eigentlich nicht machen wollen. Resultat: Distress! 
  • Der Rechtfertiger
    Kritik kann und darf nicht an uns herankommen! Wir halten sie kaum aus und haben stets fünftausendundeine Ausflucht und Entschuldigung für uns parat. 
  • Der Vernebler
    Wir halten unsere (unangenehmen) Gefühle nicht aus und lenken uns ab: durch Sex, Fernsehen, Konsum, YouTube, Alkohol, Drogen ... 
  • Der Schuldige
    Irgendjemand - meist ein Elternteil (die Mutter überwiegt hier) - gibt uns die Verantwortung für seine Gefühle, seinem Schicksal, den Lebensbedingungen. Wir übernehmen das als Kind und entwickeln einen dauerhaften und sehr aktiven Schuldkomplex. 
  • Der Sparsame
    Wir gönnen uns selbst nichts. Als Kind wurde uns auch wenig oder nichts gegönnt. 
  • Der Verantwortliche
    Wir mussten schon früh Verantwortung für (kindliche oder nicht entwickelte) Erwachsene übernehmen. Das behalten wir bei und suchen uns entsprechende Partner, für die wir dann auch wieder Verantwortung übernehmen. Kennen wir, also fühlen wir uns sicher! 
  • Der Unsichtbare
    Wir haben Angst vor Sichtbarkeit und in der Mitte stehen. Deswegen bleiben wir lieber unter dem Radar, aber eben auch leider unter unseren Möglichkeiten! 
  • Die Männliche / der Frauliche
    Mit unserem eigenen Geschlecht können wir leider nicht so viel anfangen. Das entsprechende Elternteil war leider fast unsichtbar / nicht präsent oder ablehnend (das eigene Geschlecht wiederum) bis extrem destruktiv. Dann sind wir doch lieber das Gegenteil! 
  • Der Süße / der beste Freund
    Wir sind ja gaaaaar nicht sexuell! Nein, wir kommen stets als der beste Freund, die beste Freundin um die Ecke und belieben geschlechtlich neutral. 
  • Der Urteiler
    Weil wir uns selbst nicht mögen und zutiefst unsicher sind bewerten wir im Außen wie die Wilden: Hart, unnachgiebig, gnadenlos. Und wollen doch eigentlich nur selbst geliebt werden ... 
  • Der Erfolgslose
    Wir haben eine tiefe Angst, erfolgreicher zu werden wie unsere Eltern. In allen Bereichen. Das so lange, bis wir uns dessen bewusst sind und Änderungen aktiv angehen. 
  • Der Dauer - Single
    Nichts wünschen wir uns mehr als einen Partner! Aber um die Verletzungen zu vermeiden, bleiben wir lieber allein. Und das aus Überzeugung - jedenfalls nach außen hin! 
  • Der Pantoffelheld
    Passiv - aggressiv lavieren wir uns durch unsere Partnerschaft. Nur ja keine Konflikte! Der andere ist wichtiger! Aber nicht, weil er wirklich wichtiger ist, sondern weil wir eine panische Angst haben ihn oder sie zu verlieren! 

Na, noch eigene gefunden? Schick sie mir gerne zu, ich freue mich! 

 

Wie gehen wir jetzt um mit einer Schatteninstanz, die wir identifiziert haben? 

  1. Genau anschauen und benennen: Wie heißt sie? Aus welchem Alter des Kindes oder Jugendlichen stammt sie? 
  2. Versetze Dich in das jeweilige Alter hinein, gerne innerhalb eines meditativen Prozesses. Anleitungen dafür bekommst Du hier
  3. Versuche für das Kind oder den Jugendlichen, der Du einmal warst, tiefes Verständnis und Anteilnahme und - authentisch möglich - auch Liebe zu empfinden! 
  4. Versuche zu verstehen, warum die Instanz entstanden ist. 
  5. Ehre und würdige die Instanz. Zeige ihr Deine Dankbarkeit für das, was sie DAMALS getan hat! 
  6. Dann, wenn sich die Emotionen beruhigt haben, übernimm klar wieder das Kommando und schick diese Instanz "unter Deck". DU als Erwachsener entscheidest, wie Du Dich verhalten möchtest! 
  7. Mach eine klare Entscheidung, wie es in der konkreten belastenden Situation weiter gehen darf. DU bist Schöpfer Deines Schicksals! 

Wenn Du die Methode näher kennenlernen willst, empfehle ich Dir von Herzen den Inner Voice Dialogue. HIER gibt es mehr darüber zu lesen. 

 

 

Photo by Christian Holzinger on Unsplash

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