Mütter mit geringem Selbstwertgefühl - warum und wieso und was bewirken sie bei ihren Kindern?
Das ist ein sehr komplexes und wichtiges Thema. Eine Mutter mit geringem Selbstwertgefühl hat tiefgreifende Auswirkungen nicht nur auf sich selbst, sondern auch auf ihre Kinder.
Hier eine detaillierte Betrachtung der Frage "Warum?", "Wieso?" und "Was bewirken sie bei ihren Kindern?".
Warum und Wieso? Die Ursachen für das geringe Selbstwertgefühl der Mutter
Die Gründe sind vielschichtig und liegen oft in der eigenen Biografie:
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Erfahrungen in der eigenen Kindheit: Dies ist der häufigste Grund.
- Emotionale Vernachlässigung: Die eigenen emotionalen Bedürfnisse wurden nicht gesehen oder erfüllt.
- Kritische oder überfürsorgliche Eltern: Ständige Kritik oder aber auch übertriebene Behütung ("Du schaffst das nicht ohne mich") vermitteln das Gefühl, nicht gut genug oder nicht kompetent zu sein.
- Liebe war an Leistung geknüpft: Das Gefühl, geliebt zu werden, hing davon ab, ob man gute Noten hatte, brav war, etc.
- Rollenbilder: Aufgewachsen in einem Umfeld, in dem Frauen weniger wert waren oder perfekt sein mussten (die "supermom").
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Gesellschaftlicher Druck und Ideale:
- Das Mythos der "perfekten Mutter": Medien und soziale Netzwerfe vermitteln ein unrealistisches Bild einer Mutter, die immer geduldig, liebevoll, organisiert und beruflich erfolgreich ist. Der ständige Vergleich damit führt zu Versagensgefühlen.
- Widersprüchliche Erwartungen: Soll sie Karriere machen oder sich ganz der Familie widmen? Beides führt oft zu Schuldgefühlen.
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Aktuelle Auslöser:
- Partnerschaftsprobleme: Eine kritische oder nicht unterstützende Partnerschaft kann das Selbstwertgefühl massiv untergraben.
- Soziale Isolation: Fehlende Unterstützung durch Familie, Freunde oder eine Community.
- Überforderung: Die ständige Verantwortung für ein Kind, ohne Pausen, ist extrem erschöpfend und kann Zweifel an den eigenen Fähigkeiten nähren.
Was bewirken sie bei ihren Kindern? Die Folgen für die kindliche Entwicklung
Eine Mutter ist die erste und wichtigste Bezugsperson. Ihr Selbstbild prägt die Interaktion mit dem Kind und wird oft unbewusst weitergegeben. Die Folgen können sein:
1. Emotionale und psychische Auswirkungen
- Geringes Selbstwertgefühl beim Kind: Kinder lernen durch Vorbilder. Wenn die Mutter sich ständig abwertet ("Das habe ich wieder nicht hinbekommen"), übernimmt das Kind diese Haltung. Es lernt: "So geht man mit sich selbst um."
- Ängste und Unsicherheiten: Eine unsichere Mutter kann kein "sicherer Hafen" sein. Wenn die Mutter die Welt als bedrohlich und sich selbst als hilflos erlebt, überträgt sich das auf das Kind. Es entwickelt weniger Urvertrauen und ist ängstlicher.
- Übermäßige Verantwortungsgefühle: Das Kind spürt die Verletzlichkeit der Mutter und versucht oft, sie zu schützen oder zu trösten. Es übernimmt eine parentifizierte Rolle – also die Rolle des Erwachsenen – und kann nicht unbeschwert Kind sein.
- Perfektionismus oder Leistungsdruck: Das Kind versucht oft, durch besondere Leistungen die Mutter glücklich zu machen und ihr das Gefühl zu geben, eine "gute Mutter" zu sein. Der eigene Wert wird an Leistung geknüpft.
2. Auswirkungen auf die Bindung und Beziehung
- Unsicher-ambivalente Bindung: Die Mutter ist aufgrund ihrer eigenen Unsicherheit mal sehr nah und liebevoll, mal emotional nicht verfügbar oder überfordert. Das Kind weiß nie, was es erwartet, und wird "klebrig" und schwer zu beruhigen, aus Angst, die Mutter zu verlieren.
- Fehlende Grenzen: Eine Mutter mit geringem Selbstwertgefühl hat oft Schwierigkeiten, klare, konsistente Grenzen zu setzen. Aus Angst, nicht geliebt zu werden oder "böse" zu sein, ist sie nachgiebig. Das führt bei Kindern zu Orientierungslosigkeit und mangelnder Selbstkontrolle.
- Verwischte Rollen: Das Kind wird oft zum Partnerersatz oder zur besten Freundin gemacht. Die Mutter teilt ihre Sorgen und Nöte mit dem Kind, was dieses emotional überfordert.
3. Langfristige Folgen im Erwachsenenalter
Die Muster, die in der Kindheit gelernt wurden, setzen sich oft fort:
- Schwierigkeiten in eigenen Beziehungen: Man sucht sich vielleicht Partner, die einen ebenfalls abwerten (weil es vertraut ist), oder hat große Verlustängste.
- Burnout und Erschöpfung: Die Gewohnheit, sich ständig um andere zu kümmern und die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen, führt im Erwachsenenleben häufig zu Erschöpfungsdepressionen.
- Stimme des inneren Kritikers: Die abwertende Stimme der Mutter wird zur eigenen inneren Stimme: "Das ist nicht gut genug." "Du schaffst das eh nicht."
Wichtige Nuancen und Hoffnung
Es ist entscheidend, zwei Dinge zu betonen:
- Keine Schuldzuweisung: Mütter mit geringem Selbstwertgefühl handeln fast nie aus Böswilligkeit. Sie geben oft ihr Bestes und leiden selbst sehr unter ihrer Situation. Es geht um ein Verständnis der Mechanismen, nicht um eine Anklage.
- Schutzfaktoren: Die negativen Auswirkungen müssen nicht eintreten. Ein stabiler, unterstützender Zweit-Elternteil, eine liebevolle Großmutter, eine gute Erzieherin oder später Freunde und Therapie können als schützende Gegenpole wirken und dem Kind helfen, ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln.
Was kann helfen?
- Für die Mutter: Therapie bzw. Coaching (insbesondere Schematherapie oder kognitive Verhaltenstherapie - TERMIN VEREINBAREN), Selbsthilfegruppen, bewusste Selbstfürsorge, das Knüpfen eines unterstützenden Netzwerks und das Hinterfragen des "Perfekt-Mutter"-Ideals.
- Für das Kind: Stabile Bezugspersonen, die dem Kind unabhängig von Leistung Wertschätzung entgegenbringen. Eine sichere Umgebung, in der es Kind sein darf. Im Erwachsenenalter kann eine eigene Therapie helfen, die erlernten Muster zu durchbrechen.
Zusammenfassend: Ein geringes Selbstwertgefühl einer Mutter ist wie ein unsichtbarer Nährboden, auf dem die Kinderseelen wachsen. Er prägt ihre Wurzeln – ihr Gefühl für den eigenen Wert und ihre Art, Beziehungen zu führen. Das Verständnis für diese Dynamik ist der erste Schritt zur Heilung für beide Generationen.
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