Der Narzisst ist nicht böse, er ist zutiefst bedürftig

 

Dieser Satz trifft den Kern der narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS) auf eine sehr präzise und mitfühlende Weise.

Er lässt sich wie folgt aufschlüsseln:

 

Die "böse" Fassade

 

Was von außen – und besonders für die Menschen in der unmittelbaren Umgebung – als "böse" erscheint, sind die Verhaltensweisen des Narzissten:

 

  • Herabsetzung und Abwertung: Sie machen andere klein, um sich selbst größer zu fühlen.
  • Emotionale Erpressung: Sie nutzen Schuldgefühle, Wut oder Schweigen, um ihren Willen durchzusetzen.
  • Mangelnde Empathie: Sie können sich nicht wirklich in andere hineinversetzen oder deren Gefühle nachvollziehen.
  • Grandiosität: Sie inszenieren sich als etwas Besseres, Einzigartiges und Anspruchsvolles.
  • Ausbeutung: Sie nutzen Menschen für ihre eigenen Ziele aus, ohne Gegenleistung oder Dankbarkeit.

Diese Handlungen sind ohne Frage verletzend, zerstörerisch und können für die Opfer extrem schädlich sein. Deshalb ist es völlig verständlich, sie als "böse" zu interpretieren.

 

Die "zutiefst bedürftige" Realität

 

Hinter dieser Fassade verbirgt sich jedoch ein emotionaler Notzustand. Der Narzisst ist im Kern kein starkes, überlegenes Wesen, sondern ein zutiefst verletztes und unsicheres.

 

Die Bedürftigkeit zeigt sich in einem schier unstillbaren Verlangen nach:

 

  1. Bestätigung und Bewunderung: Sie brauchen einen ständigen Zufluss an externer Bestätigung, um ihr brüchiges Selbstwertgefühl aufrechtzuerhalten. Wie ein Fass ohne Boden kann es nie genug sein.
  2. Kontrolle: Die Welt erscheint ihnen bedrohlich und unberechenbar. Kontrolle über andere und Situationen gibt ihnen ein vorübergehendes Gefühl von Sicherheit.
  3. Schutz vor Scham: Im tiefsten Inneren tragen sie eine überwältigende Scham, das Gefühl, fundamental nicht "gut genug" oder sogar wertlos zu sein. Die grandiosen und abwertenden Verhaltensweisen sind ein Abwehrmechanismus, um diesen unerträglichen Schmerz niemals fühlen zu müssen.
  4. Liebe und Wertschätzung: Paradoxerweise sehnen sie sich nach echter Liebe und Verbindung, sind aber aufgrund ihrer Störung völlig unfähig, sie zu geben oder zu empfangen. Sie verwechseln Liebe oft mit Besitz oder Bewunderung.

Was das für die Beziehung bedeutet

 

Diese Sichtweise ist entscheidend für das Verständnis, aber sie ist keine Entschuldigung für missbräuchliches Verhalten.

 

  • Für die Opfer: Zu verstehen, dass der Narzisst aus einer tiefen Not handelt, kann helfen, die persönlichen Verletzungen weniger zu internalisieren ("Es liegt nicht an mir, ich bin nicht wertlos"). Es befreit von der Illusion, man könne ihn mit genug Liebe "heilen". Seine Bedürftigkeit ist ein Fass ohne Boden.
  • Für den Umgang: Diese Erkenntnis hilft, emotionale Distanz zu wahren und klare Grenzen zu setzen. Man kann Mitgefühl für den verletzten Menschen im Inneren haben, während man sich gleichzeitig entschieden gegen sein destruktives Verhalten schützt.

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