Diese Erfahrung ist für Betroffene narzisstischen Missbrauchs leider extrem häufig und zutiefst verletzend. Es ist ein zentraler Bestandteil der Dynamik, der das Opfer zusätzlich isoliert und traumatisiert.
Hier ist eine Aufschlüsselung, warum das passiert und wie man damit umgehen kann.
Warum die Umwelt oft kein Verständnis zeigt
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Das Prinzip der "Zwei Welten": Der Narzisst zeigt nach außen (die soziale Welt) ein völlig anderes, charmantes, fürsorgliches und engagiertes Gesicht als nach innen (die private Welt)
gegenüber dem Opfer. Die Umwelt kennt nur die öffentliche Maske und kann sich das beschriebene Verhalten schlichtweg nicht vorstellen. ("Der? Aber der ist doch so nett!")
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Unsichtbare Wunden: Psychischer Missbrauch hinterlässt keine blaue Augen oder gebrochenen Arme. Die Verletzungen sind emotional und unsichtbar. Für Außenstehende, die nicht dabei
waren, klingen Beschreibungen von Gaslighting, emotionaler Erpressung und subtiler Abwertung oft abstrakt, übertrieben oder nach "Beziehungsstreit".
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Geschickte Rufmordkampagnen (Smear Campaigns): Narzisstische Personen arbeiten oft proaktiv daran, ihr Opfer bei Freunden, Familie oder Kollegen schlechtzureden. Sie tun dies, um sich
selbst als das eigentliche Opfer darzustellen ("Sie ist so verrückt geworden") und um Unterstützungssysteme im Voraus zu zerstören. Wenn das Opfer sich dann endlich jemandem anvertraut, wurde
der Boden bereits vergiftet.
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Die "Just World"-Hypothese: Viele Menschen haben ein tiefes Bedürfnis, an eine gerechte Welt zu glauben ("Wer Gutes tut, dem geschieht Gutes"). Das Eingeständnis, dass jemand völlig
unschuldig und ohne Grund so grausam behandelt werden kann, erschüttert diesen Glauben. Es ist einfacher, dem Opfer eine Mitschuld zu geben ("Warum ist sie denn auch geblieben?") als
anzuerkennen, dass so etwas jedem passieren könnte.
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Die Komplexität der Dynamik: Eine gesunde Beziehungsdynamik ist für Außenstehende linear (Problem -> Diskussion -> Lösung). Die Dynamik mit einem Narzissten ist zyklisch
(Idealisierung -> Abwertung -> Verwerfung -> Hoovering -> Wiederholung). Dieser Zyklus ist für Außenstehende, die nur Ausschnitte sehen, nicht nachvollziehbar und wirkt wie
Drama.
- Isolation des Opfers: Der Narzisst isoliert sein Opfer systematisch, indem er Kontakte zu Freunden und Familie unterbindet oder schlechtredet. Wenn das Opfer sich also endlich traut zu reden, hat es oft schon einen großen Teil seines Netzes verloren und findet kaum noch vertraute Personen.
Die verheerenden Folgen für das Opfer
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Zweifel an der eigenen Wahrnehmung (Gaslighting-Verstärkung): Wenn mehrere Personen das Erlebte in Frage stellen, beginnt das Opfer, an seinem eigenen Verstand zu zweifeln. "Vielleicht
übertreibe ich ja wirklich? Vielleicht bin ich ja das Problem?" Dies verstärkt den durch den Narzissten initiierten Gaslighting-Effekt massiv.
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Viktimisierung ein zweites Mal: Man erlebt den Missbrauch nicht nur in der Beziehung, sondern auch danach, wenn man auf Unverständnis stößt. Dies wird als "sekundäre Viktimisierung"
bezeichnet und kann die Traumata vertiefen.
- Einsamkeit und Scham: Das Opfer zieht sich zurück, schämt sich und traut sich nicht, weiter über das Erlebte zu sprechen, aus Angst, wieder nicht geglaubt oder verurteilt zu werden.
Was man als Betroffener tun kann
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Die Erwartung anpassen: Verstehen, dass das Unverständnis der Umwelt Teil des Missbrauchsmusters ist und nicht eine Bestätigung dafür, dass man selbst
falsch liegt oder übertreibt.
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Selektiv sein im Erzählen: Erzählen Sie Ihre Geschichte nur Menschen, von denen Sie absolut sicher sind, dass sie empathisch, vertrauenswürdig und in der Lage sind,
komplexe zwischenmenschliche Dynamiken zu verstehen. Oft sind das nicht die nächsten Familienmitglieder oder alten Freunde, sondern vielleicht eine neutrale Person oder jemand, der Ähnliches
durchgemacht hat.
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Professionelle Hilfe suchen: Ein Therapeut oder Berater, der auf traumatische Beziehungen spezialisiert ist, wird Ihnen glauben. Dort finden Sie den validierenden und
verstehenden Raum, den Sie brauchen, um zu heilen. TERMIN VEREINBAREN!
Selbsthilfegruppen (online oder offline) können ebenfalls unglaublich wertvoll sein, weil man auf Menschen trifft, die es verstehen, ohne dass man alles erklären muss.
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Bildmaterial nutzen: Wenn möglich, sichern Sie Beweise (Nachrichten, E-Mails), nicht für andere, sondern für sich selbst. In Momenten des Zweifelns können Sie sich diese
ansehen, um sich zu bestätigen, dass Sie nicht verrückt sind.
- Nicht diskutieren: Verschwenden Sie keine Energie damit, Menschen zu überzeugen, die partout nicht verstehen wollen. Setzen Sie Grenzen: "Es tut mir leid, dass du das nicht nachvollziehen kannst. Für mich war es eine sehr schmerzhafte Erfahrung, und ich möchte nicht weiter darüber mit dir diskutieren."
Fazit: Das fehlende Verständnis der Umwelt ist eine der quälendsten Nebenwirkungen narzisstischen Missbrauchs. Es ist entscheidend zu begreifen, dass dieses Unverständnis nicht die Realität Ihres Erlebens widerspiegelt, sondern die Mechanismen des Missbrauchs und die Grenzen der Außenstehenden. Suchen Sie sich bewusst die Unterstützung, die Sie verdienen, und hören Sie auf Ihre innere Stimme – sie hat die ganze Zeit recht gehabt.
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