Positive Anreize schaffen

 

Haben Sie sich schon einmal überlegt, wie Sie Ihre Kinder am besten davon überzeugen können, etwas zu tun? Wie bringen Sie Ihren Nachwuchs dazu, sein Zimmer aufzuräumen oder den Müll herauszubringen? Sie werden wahrscheinlich entweder Belohnungen oder Strafen dafür einsetzten, Ihr Kind dazu zu bewegen, sich im Haushalt zu beteiligen oder seine Hausaufgaben zu machen.

 

Einige interessante Studien zeigen hingegen, dass Belohnungen nicht den gewünschten Effekt haben, den wir vermuten. In einer solchen Untersuchung wurden Kinder gebeten, etwas zu zeichnen. Die eine Gruppe der Kinder sollte zeichnen, weil es ihnen Spaß macht. Einfach nur aus der Freude am Zeichnen heraus. Die andere Gruppe hingegen bekam für ihre Zeichnungen eine Medaille. Einige Zeit später, wurden die Kinder wieder eingeladen und noch einmal aufgefordert zu zeichnen. Danach wurde ihr Glücksempfinden gemessen. Diejenigen Kinder, die beim letzten Mal eine Medaille bekommen hatten, fühlten sich unglücklicher als die, die nichts bekommen hatten. In ihren Köpfen spielte sich eventuell Folgendes ab: Sie wussten, dass es Belohnungen meistens nur für Dinge gibt, die sie nicht gerne tun. Sie schätzen deshalb das Zeichnen als eine Tätigkeit, die ihnen keinen Spaß macht, weil sie dafür ja etwas bekamen. Wenn wir etwas ohne jeglichen Anreiz tun, muss es uns hingegen große Freude machen, sonst würden wir es ja nicht machen.

 

Wie steht es aber um Dinge, die wir wirklich nicht gerne machen? Sehen wir sie positiver, wenn wir uns selbst kleine Geschenke dafür machen? Die Antwort ist Jein. Um uns zu Beginn dazu zu bringen, etwas zu tun, können kleine Belohnungen hilfreich sein. Mehr als materielle Anreize helfen aber nette Worte und Bestätigungen oder Lob. Bei Kindern ist Aufmerksamkeit ein großes Geschenk. Versprechen Sie Ihrem Kind einen Nachmittag, oder eine Stunde lang, ungeteilte Aufmerksamkeit als Belohnung für ihre Mithilfe. Wenn die Tätigkeit dann ein paar Mal ausgeführt wurde, sollte man die Belohnungen wieder einstellen. Die intrinsische Freude an einer Aktivität sollte dann die größte Belohnung darstellen. Und wenn Sie für sich selbst doch einmal auf Belohnungen zurückgreifen wollen, dann sollten es keine materiellen sein, sondern lieber eine Aktivität, ein Ausflug, ein Pilates-Kurs oder was auch immer sonst Sie glücklich macht.

 

Eine der größten Fehlinformationen der positiven Psychologie ist die Aussage, dass man nur an etwas Positives denken muss, und dann wird es einem schon besser gehen. Stellen Sie sich vor, Sie haben gerade gesehen, wie ein Tier auf der Straße überfahren wurde. Sie sagen sich jetzt, dass Sie einfach nicht mehr an dieses Ereignis denken dürfen, dann wird es nicht mehr in Ihrem Kopf herumschweben. Aber genau das Gegenteil tritt ein. Sie werden nicht aufhören können, an dieses Erlebnis zu denken. Es wird Ihnen unglaublich schwerfallen, sich von dem Gesehenen abzulenken.

 

Der österreichische Psychiater und Neurologe Viktor Frankl sagte schon im Jahr 1946: „Wir müssen nicht ohne Spannungen oder Ängste leben. Wir müssen uns auch nicht um jeden Preis von allen Schwierigkeiten befreien, sondern einen lebenswerten Sinn finden.” Es geht also nicht darum, alle Probleme aus dem Leben zu verbannen. Vielmehr muss man lernen, dass auch negative Ereignisse zum Leben dazugehören. Wir müssen einfach nur wissen, wie man damit umgeht. Eine weitere Erkenntnis aus einer Studie war, dass auch Schicksalsschläge nicht todunglücklich machen. Jedoch müssen wir auch dieses Ergebnis mit Vorsicht betrachten. Gesundheit ist für 90 % der Menschen der wichtigste Faktor für Zufriedenheit. Auch umgekehrt gilt: Wer glücklich ist, ist seltener krank. Menschen, die zufrieden mit sich und ihrem Leben sind, haben seltener Herzinfarkte und leiden nicht so oft an Diabetes.

 

Welche Persönlichkeitseigenschaft trägt dazu bei, dass Sie mehr Erfolg im Leben haben und von anderen mehr gemocht werden? Hierbei siegt deutlich die Extraversion und die Herzlichkeit. Ehrliches Interesse an unseren Mitmenschen zu zeigen und nach ihrem Befinden und ihren Vorlieben zu fragen, führt eher zum Ziel, als durch Manipulation oder andere fragwürdige Techniken zu versuchen, diese Personen für sich zu gewinnen. Wenn Sie wissen, dass sich jemand für ein bestimmtes Buch interessiert, lesen Sie es und sprechen Sie mit der Person darüber. Informieren Sie sich über die Hobbys dieses Menschen und nutzen Sie dieses Wissen als Gesprächsthema bei der nächsten Begegnung. Sie werden sehen, der andere wird Sie in einem ganz neuen Licht betrachten und Ihnen auch eher einen Gefallen tun. Diese Technik funktioniert auch bei Politikern. Ein politischer Kandidat, der den Anschein erweckt, sich ernsthaft für die Themen der Bevölkerung zu interessieren, wird auch mit größerer Wahrscheinlichkeit gewählt werden.

 

Die nächste Technik, um andere von sich zu überzeugen, wird in der Psychologie auch als Benjamin-Franklin-Effekt bezeichnet. Dabei geht es darum, sich von jemandem einen Gefallen tun zu lassen. Bitten Sie um eine Kleinigkeit, wie etwa einen Euro oder ein Buch, und Sie werden sehen, dass die Person Ihnen auch in der Zukunft gerne wieder einen Gefallen tun wird. Benjamin Franklin demonstrierte das eindrucksvoll, indem er sich von einem Mitglied des Parlaments ein Buch auslieh. Der Mann zeigte sich auch in Zukunft kooperativer, wenn Franklin ihn um etwas bat.

 

Auch eine Lehrerin von mir nutzte diese Technik, um uns Schüler dazu zu bringen, sie als sympathischer einzuschätzen und mehr Energie in ihren Unterricht zu stecken. Sie bat uns häufig darum, ihr noch Unterlagen zu holen oder für sie die Tafel abzuwischen. Dieser Trick funktionierte, denn am Ende des Schuljahres wurde sie zu einer der sympathischsten Lehrerinnen gewählt.

 

Es gibt aber auch hier Einschränkungen, denn zu große Gefälligkeiten werden Ihre Mitmenschen eher dazu bewegen, Sie als aufdringlich und unsympathisch einzuschätzen. Wahrscheinlich werden Sie Ihre Bitte ablehnen oder nur mit Unmut annehmen und Ihnen danach keinen Gefallen mehr tun.

 

Worauf könnte das zurückzuführen sein? Häufig geht es dabei um die kognitive Dissonanz. Bei der kognitiven Dissonanz-Theorie von Leon Festinger geht es darum, dass wir manchmal etwas tun, was mit unseren Gedanken nicht übereinstimmt. Dieser Zustand ist äußerst unangenehm und deswegen wollen wir ihn so schnell wie möglich auflösen. Gehen wir auf das oben beschrieben Beispiel zurück. Wir tun den Menschen einen Gefallen, die wir mögen. Wenn wir also jemandem einen Gefallen tun, dann müssen wir diese Person auch mögen. Unsere Kognitionen müssen mit unseren Handlungen übereinstimmen, und wenn sie das nicht tun, schrecken wir auch nicht davor zurück, sie anzupassen. 

 

Beim nächsten Trick werden die Wünsche, um die man sein Gegenüber bittet, immer weiter gesteigert. Denn hat man erst mal den Fuß in der Tür, ist es leichter, ganz einzutreten. Darum wird diese Technik auch als Fuß-in-der-Tür-Technik bezeichnet. Sie kennen das vielleicht von Personen, die auf der Straße Zeitschriften verkaufen oder Sie überreden wollen, etwas für einen guten Zweck zu spenden. Erfolgreiche Promoter werden Sie zuerst mit einer Frage aus der Reserve locken: „Wollen Sie etwas für den Umweltschutz tun?“, oder „Glauben Sie, dass man Menschen in Not nicht einfach so im Stich lassen darf?“ oder auch „Sind Sie tierlieb?“. Mit diesen Fragen bringen die Menschen Sie dazu, auf ein Gespräch mit ihnen einzugehen. Im nächsten Moment werden sie Sie dann womöglich fragen, ob Sie nicht bereit wären, etwas dafür zu tun. Und schon stecken Sie in der Falle. Wenn Sie im Einklang mit Ihren vorherigen Aussagen handeln wollen, werden Sie jetzt Ja sagen und vielleicht sogar ein Abonnement abschließen.

 

Einer ähnlichen Strategie folgt die Tür-ins-Gesicht-Technik. Auch hierbei stellt der Fragende eine Bitte, aber diesmal eine große Bitte, von der er weiß, dass der andere sie ablehnen wird. Stellen Sie sich vor, jemand bittet Sie auf der Straße, ihm/ihr eine Schachtel Zigaretten zu kaufen. Sie lehnen die Bitte ab, weil Sie nicht gewillt sind, so viel Geld für einen Unbekannten auszugeben. Als Nächstes fragt Sie die gleiche Person, ob Sie ihm denn nicht wenigstens 5 Euro geben könnten. Sie gehen darauf ein und geben diesem Menschen das Geld. Dabei haben Sie das Gefühl, der andere kommt Ihnen entgegen, weil er seine Bitte heruntergeschraubt hat. Aus diesem Grund möchten Sie ihm auch entgegenkommen und ihm diesen Wunsch erfüllen. In Wirklichkeit hat Ihr Gegenüber aber einen raffinierten Trick angewandt, um zu bekommen, was er wollte.

 

Warum erzähle ich Ihnen von diesen psychologischen Tricks und was haben sie mit dem Glücklichsein zu tun? Auf den ersten Blick vielleicht nicht viel, aber wenn Sie genauer hinsehen, werden Sie merken, dass erfolgreich zu sein, ebenfalls zu den Faktoren gehört, die Menschen glücklich machen können. Wenn Sie also in Verkaufsgesprächen über diese Techniken verfügen, liegen Sie mit der Nase vorne und werden in Ihrem Beruf erfolgreicher sein. Auf der anderen Seite ist es sinnvoll, über solche Taktiken Bescheid zu wissen. Selbst manipuliert zu werden, ist nämlich ein sehr unangenehmes Gefühl. Je mehr Wissen Sie über das Verhalten anderer Menschen haben, desto besser wird es Ihnen im Umgang mit Ihren Artgenossen gehen.

 

Was bringt Personen noch dazu, uns zu mögen und uns positive Eigenschaften zuzuschreiben? Viele von uns denken, dass wir uns mit Tratschen bei anderen beliebt machen. Über Außenstehende zu sprechen und unseren Mitmenschen zu erzählen, welche unmöglichen Dinge sie getan haben, mag vielleicht ein interessanter Zeitvertreib sein, er wirft aber letztlich ein schlechtes Licht auf Sie selbst. In einigen Untersuchungen wurde herausgefunden, dass Personen, die schlecht über andere in deren Abwesenheit sprechen, oft selbst diese schlechten Eigenschaften zugeschrieben werden. Wenn Sie sich also häufig darüber das Maul zerreißen, wie faul Ihr Kollege ist, werden Ihre Zuhörer diese Eigenschaft eher mit Ihnen assoziieren als mit Ihrem Kollegen. Sprechen Sie hingegen von den positiven Seiten anderer Menschen, kann das sogar ein positiveres Licht auf Sie werfen. Gehen Sie mit Humor und Feingefühl in zwischenmenschliche Gespräche und beeinflussen Sie Ihre Konversationen und auch langfristig Ihre Beziehungen positiv.

 

Es gibt noch einige weitere Faktoren, die nachweislich zu unserem Glück beitragen. Diese sind:

  • Positive Emotionen
  • Selbstverwirklichung
  • Gute Beziehungen
  • Bedeutung
  • Leistungsorientierung

Um das Wohlbefinden zu messen, werden Messwerte für jeden der fünf Faktoren einzeln erhoben und dann zusammengerechnet. Manche Menschen legen beispielsweise mehr Wert auf Selbstverwirklichung als auf gute Beziehungen. Sie können daher trotz eingeschränkter sozialer Interaktion glücklich sein.

 

Das uralte Bild, dass nur eine Familie oder ein eigenes Haus zur Zufriedenheit führen, ist nicht mehr zutreffend. Es ist eindeutig überholt. Heutzutage gibt es so viele verschiedene Dinge, die uns glücklich machen können. Richtig in sich hineinzuhören und herauszufinden, was uns wirklich Freude macht, ist trotzdem eine Kunst.

 

Positive Emotionen führen bei den meisten Menschen zu mehr Lebensqualität. Um diese zu trainieren, können Sie einen einfachen Trick versuchen: Schreiben Sie sich jeden Abend drei Dinge auf, die an diesem Tag gut gegangen sind. Überlegen Sie sich auch, warum diese Geschehnisse positiv verlaufen sind. In Interventionsstudien konnte gezeigt werden, dass diese Übung bei vielen Menschen zu mehr Zufriedenheit führt. Sogar 6 Monate nach Abschluss der Studie berichteten die Probanden über mehr Zufriedenheit und Wohlbefinden. 

 

Foto von Nathan Dumlao auf Unsplash

Kommentar schreiben

Kommentare: 0