Absolut, ja. Es ist völlig normal und sogar sehr verbreitet, auch in langjährigen, glücklichen und stabilen Beziehungen andere Menschen attraktiv zu finden.
Das ist ein wichtiger Punkt, über den oft nicht gesprochen wird, was zu Unsicherheiten und Schuldgefühlen führen kann. Hier ist eine Aufschlüsselung, warum das normal ist und wie man damit umgeht:
Warum ist das normal?
- Menschliche Biologie und Natur: Menschen sind biologisch darauf ausgelegt, Attraktivität bei anderen wahrzunehmen. Es ist ein instinktiver, oft unbewusster Prozess. Ein flüchtiger Gedanke wie "Wow, die Person sieht gut aus" ist nicht viel anders, als ein schönes Kunstwerk oder einen atemberaubenden Sonnenuntergang zu bewundern.
- Attraktivität vs. Handlung: Der entscheidende Unterschied liegt zwischen dem Gefühl (Attraktivität wahrnehmen) und dem Handeln (etwas zu tun). Nur weil man jemanden attraktiv findet, heißt das nicht, dass man auf diesen Impuls reagieren oder eine Grenze in der Beziehung überschreiten muss.
- Liebe ist eine Entscheidung: Eine langfristige Beziehung baut auf viel mehr auf als nur auf körperlicher Anziehungskraft. Sie basiert auf Vertrauen, Respekt, gemeinsamer Geschichte, emotionaler Intimität, Kompromissbereitschaft und der aktiven Entscheidung, jeden Tag zusammen sein zu wollen. Attraktivität für andere ist oberflächlich im Vergleich zu dieser tiefen Bindung.
Wann könnte es ein Problem werden?
Es wird nur dann problematisch, wenn:
- Du dich emotional von deinem Partner entfernst und dich stattdessen intensiv auf eine andere Person konzentrierst.
- Du beginnst, Vergleiche anzustellen und deinen Partner abzuwerten.
- Du bewusst Situationen suchst, in denen du Zeit mit der Person verbringst, die du attraktiv findest, und dies vor deinem Partner verheimlichst.
- Aus Gedanken Fantasien werden, die du dir aktiv ausmalst, anstatt sie vorbeiziehen zu lassen.
- Es dich dazu bringt, die Commitment in deiner aktuellen Beziehung in Frage zu stellen.
Wie geht man gesund damit um?
- Erkenne es an und lass es gehen: Der Gedanke ist da. Okay. Du musst ihn nicht bewerten oder dich dafür schuldig fühlen. Erkenne ihn an ("Interessant, dass mein Gehirn das registriert") und lass ihn dann weiterziehen, wie einen Wolken am Himmel.
- Sei dir der Grenzen bewusst: Es ist gesund, sich persönliche Grenzen zu setzen. Das könnte bedeuten, dass man freundlichen, aber distanzierten Smalltalk führt, anstatt sich auf intensive Einzelgespräche einzulassen.
- Schätze deinen Partner (neu) schätzen: Manchmal lenkt uns Attraktion zu anderen ab, weil wir das Alltägliche vernachlässigen. Nimm dir bewusst Zeit, um die Eigenschaften deines Partners wertzuschätzen, die du liebst – seinen Humor, seine Fürsorge, die gemeinsamen Insider-Witze.
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Sprich darüber (mit Vorsicht): Ob man mit dem Partner darüber spricht, hängt von der Dynamik der Beziehung ab.
- Nicht so gut: "Weißt du, meine Kollegin Sarah finde ja total heiß." Das kann verletzend und unnötig sein.
- Besser: Ein allgemeines Gespräch über das Thema führen. "Weißt du, ich habe neulich gelesen, dass es total normal ist, dass Menschen in Beziehungen andere attraktiv finden. Findest du das auch?" Das kann eine offene, entlastende Unterhaltung eröffnen, in der ihr beide eure Gefühle teilen könnt.
Zusammenfassend: Ja, es ist völlig normal. Es macht dich nicht zu einer schlechten Partnerin oder einem schlechten Partner. Was deine Beziehung definiert, ist nicht, ob ihr andere attraktiv findet, sondern wie ihr miteinander umgeht, wie ihr Vertrauen aufbaut und wie ihr euch füreinander entscheidet – jeden Tag aufs Neue.
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